Wir treffen uns jeden Montag:

 

18 Uhr

Alexanderstraße 1 EG, Raum 0.14

 

E-Mail:

sds-haw@gmx.de

Bulimielernen oder die Plackerei beenden?
Hinaus aus der Enge!

 

„Die Klausur ist eine Zwischenprüfung, die früher, vor der Einführung des Bologna-Systems, gar nicht existierte“

Moritz Schmid in "Computerpanne: Hunderte Studenten fallen durch", Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 16.01.2014

 

"Wie schön aber müßte es sein, mit gesammelter Kraft und mit der ganzen Macht der Erfahrung zu studieren! Sich auf eine Denkaufgabe zu konzentrieren! Nicht von vorn anzufangen, sondern wirklich fortzufahren; eine Bahn zu befahren und nicht zwanzig; ein Ding zu tun und nicht dreiunddreißig. Niemand von uns scheint Zeit zu haben, und doch sollte man sie sich nehmen. Wenige haben dazu das Geld. Und wir laufen nur so schnell, weil sie uns stoßen, und manche auch, weil sie Angst haben, still zu stehen, aus Furcht, sie könnten in der Rast zusammenklappen."

Kurt Tucholsky, Ich möchte Student sein, 1929

 

Die 2003 eingeführte Bologna-Reform ist offenkundig gescheitert. Statt für eine menschenwürdige Gesellschaftsentwicklung auf eine umfassende Bildung mündiger Menschen zu setzen, wurde von Arbeitgeberseite beabsichtigt, billige Absolventen möglichst schnell auf den Arbeitsmarkt zu werfen, die den­noch die Fähig­keiten und Fertig­keiten mitbringen, die der Maximie­rung des Profits zuträglich sind. Die dieser Fabrik­mäßigkeit ent­sprech­­endste Prü­f­ungsform ist die Klausur.


Die neuen Stu­dien­gänge stehen schon lange in der Kritik. Nun wird auch von Arbeitgeberseite beklagt, man könne mit den Bachelor-Absolventen kaum etwas anfangen. *Der Hochschulratsvorsitzende der HAW Eckhart Kottkamp (ehemals bei Rüstung­s­unternehmen angestellt, nun Aufsichtsratmitglied beim Bau der Elbphilharmonie und Mitglied im Freundeskreis der Hamburger Bundeswehr-Uni und damit Teil rechtskonservativer Elite) kritisierte z.B. auf der Verabschiedung des Präsidenten der HAW Michael Stawicki am 16.01.14 die "Ba/Ma-Umstellung weiterhin als Kostenbegrenzung" zu nutzen und sprach sich deutlich für eine Weiterentwicklung von Ba/Ma sowie insbesondere gegen die aktuelle Enge der Regelstu­dien­zeit aus.
Die doppelte Dys­­­funktionalität wird hier deut­lich. Weder was beabsichtigt war, wurde erreicht, noch was eigent­lich gesellschaft­lich notwendig ist – wie die drin­gend notwendige Entwicklung welt­weiter demo­­­kratischer Strukturen gegen die "Macht des Marktes" – wurde wissenschaftlich bearbeitet.


Vor diesem Hintergrund hat das selektive Bachelor/Master-Studium mit seiner exzessiven Prüfungswut, Mißtrauens- und Kontrollkultur (z.B. Anwesenheitslisten), beschränktem Wissen als Fertigware (Module) und bulimischem Pauk­konzept nichts als Schaden angerichtet. *Auch der enorme Mißmut und Verdruß über Klausuren, Notenhetze und Konkurrenzkultur, der durch Ba/Ma mehr statt weniger geworden ist, ist Grundlage der steigenden Ablehnung der Drangsal und der Entfremdung.
Für eine erfreuliche Entwicklung müssen die Bologna-Studiengänge dagegen weit reichend reformiert werden: Die Entschleunigung des Studiums, die Wiederholbarkeit und die Reduzierung von Prüfungen sowie die Beseitigung von Repressions­lasten dienen nicht nur der Entlastung von Studierenden und Lehrenden – auch des Tech­nischen und Ver­waltungs­per­so­nals – sondern auch der Vertiefung des Ler­nens, seiner Ko­­­­operativität sowie der Mög­lichkeit, Gedank­liches zu vertiefen und interdiszi­pli­när zu studieren. Dafür sowie für die gesicherte Tätigkeit demo­kratischer Selbstverwaltung der Hochschulen bedarf es der öffentlichen Ausfinanzierung. *Auf diese Weise wachsen auch die Möglichkeiten, sich gemeinsam als mündige Persönlichkeiten zu entwickeln und auch, sich der Lösung ge­sellschaftlicher Probleme und Aufgaben (Frieden, Umwelt, Soziales, Demokratie) zu widmen, somit den nötigen Weltbezug der Wissenschaften her­zustellen. *Dies eröffnet dann neu die Möglichkeit einer solidarischen Lernkultur der gegenseitigen Be­geisterung, für die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaften (gegen Verwertungsdogma und auch heute gegen den Krieg) und mehr Muße für das politische Engagement in Hochschule und Gesellschaft.


In Zeiten einer anhaltenden Finanz- und Zivilisationskrise ist entgegen dem Festhalten an Konkurrenz und Leistungswettbe­werb eine neue internationale Kultur der Soli­darität und wis­sen­schaftlicher Kooperation für eine vernunft­geleitete Ent­wick­lung zu verwirklichen.
Di­e­ses kollektive befreiende Engagement ist der Ausgang aus der verordneten Unmündigkeit und das Ende der Plackerei.


„Man wird sagen, es sei recht wenig, was das einzelne Individuum seinen Kräften gemäß zu ändern vermag. Was nur bis zu einem gewissen Punkt stimmt. Denn der einzelne Mensch kann sich mit all denen zusammenschließen, die dieselbe Veränderung wollen, und wenn diese Veränderung vernünftig ist, kann der einzelne sich in einem imponierenden Ausmaß vervielfachen und eine Veränderung erzielen, die viel radikaler ist, als es auf den ersten Blick möglich erscheint.“

Antonio Gramsci, „Gefängnishefte“, Heft 10 (1932-1935), § 54, „Einführung in das Studium der Philosophie. Was ist der Mensch?“.

"Neutralität der Wissenschaft"?
Eine Entgegnung

 

"Ich hatte als Wissenschaftler eine einzigartige Möglichkeit. In meiner Zeit erreichte die Astronomie die Marktplätze. Unter diesen ganz besonderen Umständen hätte die Standhaftigkeit eines Mannes große Erschütterungen hervorrufen können. Hätte ich widerstanden, hätten die Naturwissenschaftler etwas wie den hippokratischen Eid der Ärzte entwickeln können, das Gelöbnis, ihr Wissen einzig zum Wohle der Menschheit anzuwenden! Wie es nun steht, ist das Höchste, was man erhoffen kann, ein Geschlecht erfinderischer Zwerge, die für alles gemietet werden können. Ich habe zudem die Überzeugung gewonnen, Sarti, daß ich niemals in wirklicher Gefahr schwebte. Einige Jahre lang war ich ebenso stark wie die Obrigkeit. Und ich überlieferte mein Wissen den Machthabern, es zu gebrauchen, es nicht zu gebrauchen, es zu mißbrauchen, ganz, wie es ihren Zwecken diente. Ich habe meinen Beruf verraten. Ein Mensch, der das tut, was ich getan habe, kann in den Reihen der Wissenschaftler nicht geduldet werden."
Bertolt Brecht, Leben des Galilei, 1939

Töten auf Knopfdruck, ein schädigendes Mensch-Natur-Austausch­verhältnis, verschärfte Menschen­rechts­verlet­zungen, die Zerstörung und Pervertierung gesell­schaft­lichen Reichtums durch Schulden­bremse und Fiskalpakt sowie noch immer andauernde Kriege sind Heraus­for­derun­gen, die für eine menschliche Entwick­lung unserer Gesellschaft zu lösen sind.
Die Bedeutung wissenschaftlicher Qualifizierung und Kooperation als dem gemeinsamen Kampf um Ver­fügungs­erweiterung für eine menschliche Wendung der gesell­schaftlichen Krise wird im­mer deutlicher.
Dafür ist es notwendig, dass Hoch­­­­­­­schulen nicht mehr als Unter­­­­nehmen „Zwerge, die für alles gemietet werden können“ produzieren, sondern „einzig zum Wohle der Menschheit“ wirken. Statt sich zur privaten Profitmaxi­mierung einiger weniger der Ob­rig­­keit zu beugen, müssen Hoch­schu­len dagegen gesell­schafts­kritisch Partei ergreifen.
Sich in diesen Auseinander­setzungen vermeintlich ‚neutral‘ zu verhalten, bedeutet die Übereinstimmung mit dem gesellschaftlichen, politischen und ideo­lo­gischen status quo, also mit der herrschenden Meinung. Anstatt gesellschaftlichem Anpassungs­druck und ex­isten­­tieller Verunsicherung nachzugeben, gilt es die eigenen menschlichen Ansprüche zu erweitern und aus der kulturellen Enge hinauszutreten.
Diese Emanzipation bedeutet – statt brutaler Kon­kur­renz um Abschlüsse und Status für die individuellen Etablierungs- und Aufstiegsgelüste – Solidarität für das gemeinsame Überwinden dieser Übel. Die Lüge der Neutralität ist dagegen nur notwendig, um Bravheit zu signalisieren und sich von den Unbequemen, die gegen die herrschende Meinung begründet Widerstand leisten, zu distanzieren.
Teil dessen ist die Ideologie der Neutralität der Wissenschaft, in welcher die Wissenschaftler (z.B. Studierende) vermeintlich objektiv und unabhängig auf die Welt schauen. Wissenschaft kann dagegen weder isoliert noch unab­hängig von gesellschaftlichen Aus­einandersetzungen und den jewei­ligen – durchaus einander ent­­gegenstehenden – Interessen der Wissen­schafts­­sub­jekte betrie­ben werden. Alles Wissen wird gesellschaftlich ge­braucht oder mißbraucht, wenn die Wissens­pro­du­­zenten keine Verantwortung für ihre Tätigkeit übernehmen. Anstatt sich in diesen Konflikten dem herr­schenden Diktat der Markt­wirtschaft zu unterwerfen, ist Widerstand für Menschen­würde und Demokratie für alle befreiend.
Der Sinn der Wissenschaften bleibt die produktive Kultivierung der Gesell­schaft gegen jede brutalisierende All­tags­­hetze (z.B. Ba/Ma, Zwangsexmartikulationen) und für eine friedlich-solidarische Gesellschafts­entwicklung.

 

 

Nur Frieden schafft Frieden,

Für Menschenwürde und Demokratie weltweit

 

„Es geht jetzt um eine Entscheidung, ob man etwas falsch macht oder etwas weniger falsch macht. Hier gibt es kein einfaches Falsch oder Richtig. Und auch eine Nichtentscheidung ist eine Entscheidung.“

Thomas de Maizière schließt deutsche Beteiligung in Syrien aus, Handelsblatt, 07.09.2013

 

"Die Menschen müssen weiterhin kämpfen, aber nur, wofür zu kämpfen lohnt: Und das sind nicht imaginäre Grenzen, Rassenvorurteile oder Bereicherungsgelüste, die sich die Fahne des Patriotismus umhängen. Unsere Waffen seien Waffen des Geistes, nicht Panzer und Geschosse.

Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten. Ein Zehntel der Energien, ein Bruchteil des Geldes wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen und die Katastrophe der Arbeitslosigkeit zu verhindern."

Albert Einstein, Für einen militanten Pazifismus, 1931

 

 

Der Krieg in Syrien tobt seit über zwei Jahren und hat über 100 000 Menschen das Leben gekostet, Millionen sind auf der Flucht. Die drohende weitere militärische Eskalation in Syrien konnte durch Friedensbewegte der ganzen Welt vorerst abgewendet werden – die Herrschenden sind konfus.

Dennoch ist die erweiterte Kriegsgefahr durch eine Militärintervention nicht gebannt. Auch die Bundeswehr ist bereits an militärischen Maßnahmen in Syrien beteiligt: Deutsche Spionageschiffe sind im östlichen Mittelmeer und Patriot-Flugabwehrsysteme der Bundeswehr mit deutschem Personal in der Türkei stationiert. Waffenlieferungen aus der ganzen Welt heizen die gewaltsamen Konflikte im Land an – Krieg bringt Krieg hervor.

Das stellt uns vor die Herausforderung, den gemeinsamen und international dimensionierten Kampf für Frieden und Menschenwürde zu intensivieren: Wie können wir hier in der Bundesrepublik den Druck gegen Waffenexporte und Militäreinsätze, für Waffenstillstand, soziale Verbesserungen und politischen Dialog erhöhen?

Nur durch den Druck einer friedensbewegten, kritischen Weltöffentlichkeit ist kriegerische Auseinandersetzung zu verhindern.

Hochschulen müssen Teil der Friedensbewegung sein, kritisch gesellschaftlich eingreifende Wissenschaft ist unentbehrlich. Frieden ist nur durch Entmilitarisierung, Abrüstung, sozialen Fortschritt, Demokratisierung des gesellschaftlichen Lebens und die Zivilisierung der internationalen Verhältnisse zu erreichen. Bildung und Wissenschaft muss sich an diesen menschlichen Zielen orientieren.

Studium, Lehre und Forschung in diesem Sinne erfordert den Bruch mit der Hochschule als Unternehmen und wirtschaftshörigen Studieninhalten, welche nur für privates Profitinteresse gelernt werden sollen.

Die Orientierung der Wissenschaft auf die Lösung gesellschaftlicher Problemlagen für Frieden – damit dem Wohle der Allgemeinheit verpflichtet – muss dagegen in allen Disziplinen (ob sozial, technisch oder künstlerisch) zur Leitwissenschaft werden.

Der weiteren Barbarisierung der internationalen Konflikte und der daraus folgenden Verschärfung sozialer Probleme weltweit ist das Engagement der Friedensbewegung für eine allgemeine friedliche und wirklich zivilisierte Welt entgegenzusetzen.

Frieden ist die einzig richtige Entscheidung.

Demokratie oder die Notwendigkeit, die eigenen Ansprüche zu erweitern
Programmatisches zur Wahl des Hochschulsenates der HAW


„Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.
Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.“
Heinrich Heine, „Deutschland – Ein Wintermärchen“, 1844, Caput I.

 

Die Hochschulen müssten sparen, schallt es aus der Behörde für Wissenschaft und Forschung. Dass überall für Gesundheit, Bildung, Wissenschaft, soziales Leben und aufgeklärte Kultur Mittel fehlen, entspricht der Konzentration von materiellem Reichtum bei etwa einem Prozent der Bevölkerung – für Spekulation und Dekadenz. Auf der einen Seite die wissenschaftlich- technischen Möglichkeiten gesellschaftlicher
positiver Entwicklung; auf der anderen Seite die geplante Destruktion gesellschaftlicher Errungenschaften und dem Ausschluss der meisten von
diesen – in diesem wachsenden Widerspruch muss Wissenschaft Partei ergreifen für Frieden als die einzig sinnvolle Lebensperspektive Aller. Dazu gehört,
mit anderen die Überwindung von sozialer Ungleichheit und Konkurrenz zu realisieren.
Demokratie hat somit die erforderliche Weite. Es geht um die aktive, solidarische Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens: für Frieden, soziales
Wohlbefinden und Gesundheit im umfassenden Sinn. Auch „die Technik“ misst ihren Sinn an dieser für alle Menschen verallgemeinerbaren Nützlichkeit. Diese Möglichkeit befindet sich gegenwärtig sowohl lokal als auch global im praktischen Widerspruch zu
gewinnmaximierenden Herrschaftsansprüchen. Diese humanistische Ambition macht Bildung und Wissenschaft zu einer rundum öffentlichen Veranstaltung, die daher auch bedarfsgerecht öffentlich finanziert werden muss. Dies bedeutet für die kommende Amtszeit des Hochschulsenates, die Neufassung des Hamburger Hochschulgesetz
zu diskutieren und zu bewerten. Der Bruch mit der Konkurrenzkultur der Bologna-
Reform ist dabei für eine neue Kultur der Solidarität erforderlich. Ständige Leistungsüberprüfungen, Notenkonkurrenz und erhöhte Lehrdeputate müssen in
ein egalitäres Lehr-Lern-Verhältnis in gemeinsamer Weltaneignung gewendet werden. Die Arbeit in Lehre, Studium und Forschung und ihre kooperative Selbstverwaltung sollten daher eine produktive Einheit bilden: die verpflichtende Wiedereinführung der akademischen Selbstverwaltungsgremien auf Departmentebene, die Viertelparität der Statusgruppen und die Übertragung zentraler Kompetenzen auf den Hochschulsenat (Wahl Präsidium,Hochschulleitlinien etc.) bei Abschaffung des Hochschulrates sind dafür vom neuen Gesetz zu erwarten.
Die neoliberale Verwertungs- und Konkurrenzdogmatik im Sachzwang-Gewand ist gescheitert: Studiengebühren, Unterfinanzierung, die rastlose Jagd nach Credits und Drittmittel, die unternehmerische Kontrolle sowie die hierarchische Strukturierung.
Diese Übel sind als solche erkennbar, kritisierbar und überwindbar. Kooperation hebt die Laune. Zur notwendigen Genesung von Einzelnen und Gesellschaft gehört darum, mit anderen die Überwindung von sozialer Ungleichheit und Konkurrenz zu
realisieren. Mit dieser Orientierung lässt sich gegen die durch und durch reaktionäre „Schuldenbremse“ kämpfen – für demokratische, sozial offene, kritische und öffentlich verantwortliche Hochschulen.


Dafür kandidieren wir für den Hochschulsenat.

Kritische Wissenschaft und Demokratie –
Eine andere Hochschule ist möglich!

 

"Galilei: [...] Ich halte dafür, daß das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern. Wenn Wissenschaftler, eingeschüchtert durch selbstsüchtige Machthaber, sich damit begnügen, Wissen um des Wissens willen aufzuhäufen, kann die Wissenschaft zum Krüppel gemacht werden, und eure neuen Maschinen mögen nur neue Drangsale bedeuten. Ihr mögt mit der Zeit alles entdecken, was es zu entdecken gibt, und euer Fortschritt wird doch nur ein Fortschreiten von der Menschheit weg sein."  (Bertolt Brecht: Leben des Galilei)

 

Seit Jahren werden  in Hamburg – einer der reichsten Städte der Welt –völlig unnötig und vor allem schädlich öffentliche Ausgaben gekürzt. Die öffentlichen sozialen Einrichtungen werden drastisch zusammen gekürzt sowie teilweise privatisiert und kommerziell ausgerichtet.  Das hat schweren Schaden angerichtet: Es gibt unzumutbare Mieten und Obdachlosigkeit; Bildung und Wissenschaft finden teilweise in heruntergekommenen Gebäu­den mit erheblich zu wenig Personal statt; öffentliche Bücher­hallen, Museen, Kleinkunst­bühnen und Schwimmbäder werden geschlossen.
Die Spaltung zwischen Arm und Reich wird von den herrschenden Kräften immer weiter vorange­trieben. Diese politische Orien­tier­ung, die alles dem Markt unterordnend in eine tiefe Krise geführt hat, soll aktuell durch Fiskalpakt, Schuldenbremse und Co. weiter zum Schaden aller durchgesetzt werden.


Für die positive Aufhebung der brodelnden Unzufriedenheit ist eine emanzipatorische Praxis von großer orientierender Bedeutung: Bildung und wissenschaftliche Weltaneignung für alle sind unverzichtbar in Zeiten des krisenhaften kapitalistischen Systems. Sie bilden die Grundlage für die dringend notwendige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Ursachen von Krieg, Ungleichheit zwischen den Menschen und der Entwicklung eines sozialen und kulturellen Fortschritts. Die Hochschule übernimmt dabei eine tragende Rolle. Die Wissenschaft an Hochschulen hat so einen zivilen, sozialen und kulturellen Nutzen und kann damit eine eingreifende Funktion für die Gestaltung gesellschaftlich notwendiger Entwicklungen übernehmen. Sie hat die Aufgabe den Reichtum an menschlichen Erfahrungen, Erkenntnissen und Möglichkeiten zu erfassen und für alle zugänglich zu machen.
Die HAW kann mit ihren vielfältigen Studiengängen und ihrer direkt auf die Praxis bezogenen Forschungsarbeit einen wichtigen Beitrag zu einer solchen zivilen, ökologisch nachhaltigen, sozial verantwortlichen und demokratischen Entwicklung leisten.


Es steht daher in unserer Verantwortung  für Frieden, sozialen Fortschritt, echte Demokratie, kulturelle Entfaltung und die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen zu kämpfen.
Dem entgegen steht die gegenwärtige Ausrichtung der Hochschulen. Denn mit der Einführung der Bachelor/Master Studiengänge und der damit verbundenen „Modernisierung“ der Hochschulen durch die Bildung von großen Fakultäten wurden demokratische Strukturen, insbesondere auf der Departementebene, radikal abgebaut. Gleichzeitig wurden die Hochschulen aufgefordert, sich den Anforderungen von Unternehmen und Lobbyisten zu unterwerfen und ihre inhaltliche Ausrichtung marktkonform zu gestalten. Diese Unternehmen­s­interessen finden sich zum Teil auch in den Studieninhalten wieder.
Damit diese Interessen durchgesetzt werden können sitzt eine große Anzahl von Unternehmensvetretern im Hochschulrat (höchstes Gremium der Hochschule). Damit verfolgen sie Ihr Ziel den Wirtschaftsstandort Hamburg in der Konkurrenz nach vorn zu bringen. Mehr demokratische Partizipation anstelle unternehmerischer Kontrolle (Akkreditierung, Hochschulrat, Qualitäts-„Management“) steht auf der Tagesordnung.
Die Umstellung der Studiengänge auf das Bachelor und Master-Studiensystem hatte zur Folge, dass sich Studierende nun in wenigen Semestern zahlreiche Themen aneignen und diese in den zahlreichen studienbegleitenden Prüfungen eins zu eins wiedergeben sollen. Durch ein solches Bulimielernen bleibt als Resultat nur elende Paukerei, tatsächliches Interesse an sinnvollen Fragegestellungen aber wird in den Hintergrund gedrängt. Unter dem Gesichtspunkt der Investition in das eigene „Humankapital“ wird das Studium dabei auf die auf dem Arbeitsmarkt zu erzielende Rendite ausgerichtet. Dies bezieht sich nicht nur auf scheinbar neutrale Anforderungen an die Qualifikation, sondern auch auf unmittelbar ökonomisch ausgerichtete Forschungsansätze und Ergebnisse. Enge fachlich eingegrenzte Bildung führt zu fachlicher Beschränktheit. Diese Fragmentierung wissen­schaftlicher Prozesse behindert die Entwicklung kritischen Denkens.


Dies wollen wir nicht hinnehmen: Wissenschaftliche Qualifikation muss als Instrument zur gesellschaftlichen Veränderung verstanden werden. Dafür ist der Ausstieg aus dem Hamsterrad erforderlich. Gesellschaftliche Missstände zu erkennen, zu analysieren, Alternativen zu erarbeiten und die gesellschaftliche Bedeutung des eigenen Faches kritisch zu hinterfragen, sollte Ziel des Studiums sein. Die in der Wissenschaft Tätigen (Studierende und Lehrende) können somit den gesellschaftlichen Gebrauchswert ihrer Tätigkeit selbst bestimmen und demokratisch über ihre Lebensbelange verfügen.
Der Widerspruch, dass Lernen etwas Gemeinsames ist, Studierende sich aber gegeneinander durchsetzen sollen, muss dahin gehend überwunden werden, dass alle Mitglieder der Hochschule eine solidarische Entwicklungsgemeinschaft bilden. So kann an der gemeinsamen Bewertung der Welt gearbeitet werden, um diese produktiv für alle zu verändern. Eine umfassende Studienreform ist dafür nötig.
Daraus ergibt sich für uns nur eine logische Folgerung: die sozialen, politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Belange der Studierenden als verallgemeinerbare Interessen kämpferisch und im Bündnis mit anderen fortschrittlichen Akteuren zu verfolgen.


Wir wollen das Studierendenparlament als Ort der Veränderung kritisch und solidarisch gestalten. Die studentische Selbstverwaltung muss die Redemo­kratisierung der Hochschulen vorantreiben, um für alle die gemeinsame Verfügung über die Studien- und Lebensbedingungen an der Hochschule zu erweitern und diese somit verbessern zu können. Dies kann aktuell nur in Opposition zu den Interessenvertretern des Senats, der Handelskammer und den ewig gestrigen Verfechtern der unternehmerischen Hochschule geschehen. Dafür wirken wir in studentischen und hochschulweiten Gremien und darüber hinaus.


Wir treten ein für:
eine radikale Demokratisierung,*eine kritische Ausrichtung der Wissenschaft,*für Studiengänge ohne Zeit-und Leistungsdruck,*eine gebührenfreie und bedarfsdeckende Finanzierung *und die soziale Öffnung der Hochschulen.
Dafür wollen wir gemeinsam streiten. Opposition wirkt.

Markt oder Emanzipation?
Die Re-Demokratisierung der Hochschulen steht auf der Tagesordnung

 

„Die Studierendenschaften der Hamburger Hochschulen nehmen öffentlich den Kampf um die Zukunft auf“ - Resolution der Vollversammlungen der HfBK, UHH, HAW und Rauhes Haus

 

„Kampf um die Zukunft“ bedeutet eine positive Lebens-perspektive für alle zu erstreiten. Diese Perspektive umfasst die vielseitige Entfaltung menschlicher Lebens­möglichkeiten, welche nur in einer solidarischen Gesellschaft erreichbar ist. Menschlich bedeutet dabei, über die gemeinsamen Lebens-bedingungen kooperativ und demokratisch zu verfügen. Freiheit von Ausbeutung, Hunger und Fremdbestimmtheit ist also für alle gleicher­maßen zu erreichen. Dies lässt sich nur gemeinsam und auf keinen Fall gegeneinander erkämpfen!
Die Hochschulen und somit auch die HAW, sollten ein Ort der Verständigung über gesellschaftliche Problem­lagen und deren Analyse sein. Diese Analyse sollte den Menschen das Leben erleichtern und somit allen nützen. Diese Nützlichkeit hat dabei nichts zu tun mit dem Nützlichkeitskalkül der kurz­fristigen Verwertungs­inte­ressen des Ar­beits­­mark­t­es für den die Hochschu­le möglichst un­kritische Ab­­sol­­­ven­ten „pro­duzieren“ soll.
An den Hoch­schulen erleben wir, dass zentrale Ent­scheidungsgremien mit Wirt­schafts­ver­tretern besetzt sind, welche über wesentliche Struktur- und Entwick­lungs­planungen entscheiden. Demo­kra­tische Mitbestim­mungs- und Ent­schei­dungs­­­­möglich­­keiten über das, was inhaltlich studiert und geforscht wird, sind kaum gegeben.
Nur in solch einer Struktur kann die Ausrichtung der Studien-gänge an Wirtschaftsinteressen mit der daraus resultierenden Zurichtung der Lehr- und Prüfungsinhalte im BA-/MA-Korsett aufrecht­erhalten werden. Die an der HAW statt­findende Rüstungs­­forschung ist die extremste Ausprägung dieser Orientierung. Nur wenn wir dies gemeinsam bekämpfen, können für die ganze Gesellschaft Verbesserungen erreicht werden.  Die Hochschule als ein Ort der gesell­schaftlichen Auseinander­setzung darf nicht den Wirt­schafts­­lobbyisten  und ihren  politischen Vertretern überlassen werden.
Denn die gesellschaftliche Krise spitzt sich zu: Der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Möglichkeit und ihrer Wirklichkeit steigt und wird für alle immer deutlicher. Immer mehr Reichtum wird von den Produzenten zu den Kapital­eigentümern verschoben und die Politik zeigt sich ratlos. Die Anhäufung von privatem Reichtum ist die Ursache des öffentlichen Mangels. Es gibt von den meisten Gütern auf der Welt genug für alle, sie sind nur ungerecht und menschen-unwürdig verteilt. Eine kritische Wissenschaft hat die Aufgabe dies zu analysieren und Alternativen zu entwickeln. Um dies zu ermöglichen, sind eine bedarfsgerechte Finanzierung, eine demokratische Verfasstheit und die soziale Öffnung der Hochschulen unabdingbar. Als Teil der Hochschule sind wir Stu­dierende gefordert, diese Möglichkeiten des Eingreifens für eine humane gesellschaftliche Entwicklung zu ergreifen.
Denn neben den aka­demi­schen Gremien wie den Fak­ul­tätsräten, gibt es zahlreiche Orte der Veränderung: Fach­schafts­räte, die Fachschafts­rätekonferenz, das Studier­enden­parlament, der Allgemeine Studierenden­­­aus­schuss (AStA), Hochschulgruppen und verschiedene Arbeits­gruppen. Dort kritisch und solidarisch organisiert, kann sich ein Jeder und eine Jede für die Re-Demo­kratisierung der Hochschule streiten – in Opposition zu den Inte­­ressenvertretern des Senats, der Han­dels­kam­mer und den ewig gestrigen Verfechtern der unter­nehmerischen Hoch­schule. Die wenigen vorhan­denen Mitbestim­mungs­möglich­kei­ten sind sinnvoll zu nutzen und aus­zubauen.
Die Vollversammlungen der UHH, HAW, Rauhes Haus und der HfbK haben sich für den Kampf um die Zukunft entschieden und stellen sich damit gegen die scheinbare Alternativlosigkeit der ange­kündigten Kürzungen und übernehmen damit Verantwortung für eine erfreuliche Per­spektive unserer Zukunft. Alle Mitglieder der HAW sind auf­­ge­fordert, sich dem anzuschließen. Aufklärung, Emanzipation, soziale Nützlichkeit und gemein­schaftliche Zivilcourage seien dabei Maßstäbe der Veränderung.