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"Ist das für die Klausur relevant?" –
Für Forschendes statt Bulimie-Lernen


"Es waren keine Studenten, die den Eindruck beförderten, die Wirtschaft sei das Schicksal und Politik wesentlich die technokratisch und demoskopisch informierte Sicherung von Wohlstand. Auch Bologna mit seinen vollgestopften Studienplänen hat sich nicht die Jugend ausgedacht. Wen also muss man sich näher anschauen, wenn Studenten, die fünfzehn Kurse in der Woche haben, nicht mehr lesen? Nicht die Jugend von heute, sondern die Erwachsenen von gestern."
Jürgen Kaube, "Die Jugend von heute", "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ), 01.11.2014


"Studium ist ein emanzipatorischer und kommunikativer Prozess der Aufklärung über das eigene Verhältnis zur Welt und zu sich selbst."
Peter Fischer-Appelt zur Studienreform, Uni-Präsident (1969-1991), Dies Academicus der Uni Hamburg, 04.11.2014


Bachelor/Master steht seit seiner Einführung 2003 in heftiger Kritik aus allen gesellschaftlichen Bereichen (Hochschulen, Gewerkschaften, Parteien etc.). Die behauptete erhöhte Mobilität und Berufsqualifikation sind eine Illusion und sollen weiterhin über den – von Arbeitgeberseite gewollten – eigentlichen Inhalt der Bologna-Reform hinwegtäuschen: möglichst schnell billige Absolventen auf den Arbeitsmarkt zu werfen, die dennoch die Fähigkeiten und Fertigkeiten mit­bringen, den Profit zu erhöhen und den Standort zu sichern. Damit niemand aus der Reihe tanzt oder aufmüpfig wird, wird exzessiv dauergeprüft und durch Anwesenheitslisten und Exmatrikulationen gedroht. Die darin nahe­gelegte Kon­kurrenz aller gegen alle – z.B. um die künstlich knapp gehaltenen Bachelor-, Master- und Laborplätze – ist neoliberal, gesellschaftlich delegitimiert und steht jeglichen Erkenntnis- und solidarischen Entfaltungs­wünschen entgegen. Gereiztheit, Bulimie-Lernen, Studienabbruch und Depressionen sind die Folgen und frustrieren Studierende wie Lehrende, wogegen sich enormer Unmut regt. Das Ausbrechen aus dem Hamsterrad ist Not-wendig, möglich und steht an.
Die gewollte und bereits begonnene Praxis sich im Studium aufeinander zu beziehen, sich gemeinsam ein Verständnis der Welt zu bilden, um sie positiv zu verändern, ist die lebendige Alternative. Statt zu fragen "Ist das für die Klausur relevant?" geht es darum zu entscheiden "Wofür lernen wir Was?". Klausuren schreiben ist kein Naturgesetz, es war nicht immer so und es kann und muss wieder anders werden.
Zum Beispiel durch eine Studienreform, die auf Forschendes Lernen als die Einheit von Erkenntnis und Weltveränderung gerichtet ist. Dies bedeutet: kritischer Praxisbezug in gesellschaftlicher Verantwortung, Interdisziplinarität sowie die Bearbeitung der zentralen gesellschaftlichen Schlüsselfragen – Das Schaffen von Frieden, Demokratie, so­zialer Gleichheit und öko­lo­gischer Nachhaltigkeit – kurzum menschen­würdi­ger Verhältnisse.
Um dies mehr zu ermög­lichen, müssen Prü­fun­­gen abge­schafft, das Studium ent­­schleunigt, alle Re­pres­sion­­­­­enslasten beseitigt und die Hochschulen sowie alle öffentlichen Bereiche aus­finan­­ziert werden.
So werden Studierende, Lehrende und das Technische- und Ver­waltungspersonal entlastet und Voraussetzungen für eine erweiterte Beteiligung an der demokratischen Selbst­verwaltung der Hochschulen geschaffen.
In diesem Sinne haben am 09.12.2014 über 4.000 Hochschulmitglieder und Bündnispartner unter dem Aufruf "Für die Ausfinanzierung der Hochschulen zum Allgemeinen Wohl" demonstriert. Sie wenden sich damit gemeinsam gegen die marode Kürzungspolitik des Hamburger Senates ("Schuldenbremse") und fordern die Ermöglichung gesellschaftlich verantwortlicher Wis­senschaft und emanzipatorischen Studierens.
Für die Fortführung dieser berechtigten Proteste und das wirkungsvolle Eingreifen in die Wahl zur H­am­bur­gischen Bürgerschaft kommt es auf alle an.
Hinaus aus der Bravheit.

Opposition oder Brav sein?
Für einen heißen Herbst


„Von den Hochschulen wird erwartet, dass sie ein hohes Qualifikationsniveau der ausgebildeten Absolventinnen und Absolventen gewährleisten, Wissen als Grundlage für Innovationen bereitstellen, die Wirtschaft der Region – insbesondere deren Cluster – durch Forschung und Entwicklung stärken [. . . ] Die Kenntnis um die tendenzielle Entwicklung der Anforderungen an das Qualifikationsniveau künftiger Berufsanfänger ermöglicht es, eine Konzeption für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Erwerbspersonenpotentials zu erarbeiten. “
Behörde für Wissenschaft und Forschung, „Strategische Perspektiven für die Hamburgischen Hochschulen bis 2020“, 17. Juni 2014


„Der unbeirrbare Stumpfsinn, mit dem diese Kapitalisten ihre törichte Geldpolitik fortsetzen, immer weiter, immer weiter, bis zur Ausblutung ihrer Werke und ihrer Kunden, ist bewundernswert. Alles, was sie seit etwa zwanzig Jahren treiben, ist von zwei fixen und absurden Ideen beherrscht: Druck auf die Arbeiter und Export. Für diese Sorte sind Arbeiter und Angestellte, die sie heute mit einem euphemistischen und kostenlosen Schmeichelwort gern ›Mitarbeiter‹ zu titulieren pflegen, die natürlichen Feinde. Auf sie mit Gebrüll! Drücken, drücken: die Löhne, die Sozialversicherung, das Selbstbewußtsein – drücken, drücken!

Kurt Tucholsky, „Die Herren Wirtschaftsführer“, 1931


Im Angesicht weltweit zugespitzter sozialer Ungleichheit und geschürtem Völkerhass sind Wissenschaft und Bildung Motor gesellschaftlichen Fortschritts für eine friedliche, soziale und demokratische Entwicklung der Gesellschaft. Dafür müssen die Hochschulen – so wie es schon die 68er Studentenbewegung forderte – allen zugänglich gemacht, also sozial geöffnet, (re-)demokratisiert und von rassistischen und elitären Wissenschaftsinhalten befreit werden.
Gegen diese Ansprüche aus der Bevölkerung stellen sich Handelskammer und SPD-Senat (u. a. deutlich in ihren neuesten sog. „strategischen Perspektiven“) auf die Seite der Unternehmen und fordern stattdessen von den Hochschulen für Profitsteigerung, Export und Standortkonkurrenz die Wirtschaftscluster zu stärken, sowie dafür möglichst billig viel braves „Erwerbspersonenpotential" – nur ein anderes Wort für Humankapital – auszustoßen. Dafür wurde der Druck auf das Selbstbewußtsein der Arbeiter (Studierende) durch Bachelor-Master massiv erhöht.
Damit führen sie die Politik der rechten CDU-Vorgängersenate (Schill-Partei! ) – in leicht gemäßigter Form – fort und verteidigen dafür verbissen die „Unternehmerische Hochschule“, in der durch Drittmittelabhängigkeit, Top-Down-Managementstrukturen und betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente die intellektuelle Arbeit für den Markt zugerichtet werden soll. Nur was sich verkauft, soll gelernt, gelehrt und geforscht werden. So lässt sich weder die Weltwirtschaftskrise lösen noch die soziale Ungleichheit überwinden.
Dagegen haben die Hochschulen in den letzten Jahren mit Gewerkschaften und anderen Aktiven in kollegialer Bewegung ihre Potentiale für eine humanistische Entwicklung von Forschung, Lehre, Studium, (Selbst-)Verwaltung und Arbeit im öffentlichen Dienst verteidigt:
Der Kampf um die Zukunft und die damit verbundene Abschaffung der Studiengebühren sowie die begonnene – vor allem durch studentische Kritik vorangetriebene – Reformierung des Hamburgischen Hochschulgesetzes waren dabei erste Schritte in die richtige Richtung.
Nun geht es neu um die Re-Kultivierung des Studiums und die Demokratisierung der Hochschulen zur Bildung mündiger Subj ekte bzw. zur Entwicklung gesellschaftlich verantwortungsvoller Wissenschaften: für Frieden, internationale Solidarität, demokratische Partizipation, Gesundheit, Bildung und Kultur.
Damit diese Ziele verwirklicht werden können, haben die Hochschulen einen “heißen Herbst“ ausgerufen, um die Kürzungen der öffentlichen Bereiche („Schuldenbremse“) zurückzuweisen und eine progressive Perspektive für die Stadt und für die kommenden Bürgerschaftswahlen zu formulieren – z. B. dass die AfD als eine radikal Konkurrenz, Markt und Völkerhass propagierende Partei nicht in die Hamburger Bürgerschaft einziehen kann.
Es kommt dabei wesentlich auf uns an:

Verbesserungen beginnen mit Opposition.